Oerek

,die Legende    

Hedis heimliche Liebe galt seit jeher den Pferden. ich weis nicht mehr, wie oft sie mir orgeschwärmt hat, wie schön es wäre, reiten zu können, oder wenigstens Kontakt mit Pferden zu haben. Ich selbst hatte mit Pferden weniger im Sinn, mich interessierten mehr die Motoren, erst vom Moped und Motorrad und später vom Auto.

Doch manchmal geht das Schicksal seltsame Wege. Das sollten auch wir erfahren.

Ich arbeitete damals in einer Servicefirma und erfuhr eines Tages, das eine meiner Arbeitskolleginnen, gemeinsam mit ihrem Freund, in Ollersbach bei Neulengbach, einen Pferdestall betrieb, bei den man Pferde zum Reiten mieten konnte. Es versteht sich von selbst, daß mir Hedi so lange keine Ruhe ließ, bis ich einen Besuchstermin vereinbart hatte.

Zusammenfassend kann man sagen, wir hatten dort über ein Jahr Kontakt mit Pferden, ich lernte die Grundbegriffe des Verweilens am Pferderücken in allen Gangarten, Hedi verlegte sich mehr darauf die Pferde zu streicheln, doch am Ende waren wir beide vom Reitbazillus befallen.

Aus persönlichen Gründen der Besitzer lösten diese den Reitstall auf und wir hungerten so lange nach neuen Reitmöglichkeiten, bis meine Mutter über eine ihrer Arbeitskolleginnen uns einen Bauernhof im Irenental offerierte.

Hier ritten wir über zwei Jahre auf Haflingerpferden und erlebten die endlose Freiheit der Symbiose Mensch und Pferd.

Erst wenn man erlebt hat daß die Augen vom Wind tränen, und der Körper des Rosses vom Schweiß in der Morgensonne dampft, wenn die taunassen Wiesen im der Morgensonne glitzerten und die Geschwindigkeit des Pferdes dich in einen Rausch versetzt, fühlt man die Freiheit des Augenblicks und ist für immer den Pferden verfallen.

So war es unumgänglich, daß eines Tages der Wunsch nach einem eigenen Pferd geboren wurde. Von da an, waren unsere Bestrebungen, ein eigenes Pferd zu haben, allgegenwärtig.

Wieder hatte der Zufall die Hand im Spiel. Wir hörten bei Bekannten, es sollte mitten in Wien einen Pferdehändler geben, den alle als den ' Zigeuner ' bezeichneten. Nun die Adresse war bald gefunden und dann standen wir am 17.3.1976, in der Helgolandstraße, vor einen Pferdestall, den dort niemand vermutet hätte.

Der Besitzer zeigte uns sein Angebot an Pferden, die allesamt nicht unseren Vorstellungen entsprachen. Schon wollten wir enttäuscht denn Stall verlassen, da bemerkten wir im Hintergrund ein Pferd, daß dort mit einer Decke abgedeckt, sein Heu fraß.

Als der Besitzer wunschgemäß den Wallach abdeckte, sprang auf uns beide der Funke über. Es präsentierte sich ein Mohrenschimmel mit weißen Behang und Schweif, der uns mit seinen klugen Augen ansah. Leise schnobernd berührte er meine ausgestreckte Hand, ohne die Ohren zu legen.

Das war der erste Kontakt einer sehr langen Beziehung zwischen Oerek und uns.

Natürlich haben wir ihn erworben und das Eintreffen eine Woche später am Bauernhof, war ein festliches Ereignis, an dem alle teilnahmen.

In der Folge änderte sich unser Freizeitverhalten zur Gänze. Ich arbeitet zu dieser Zeit im Aussendienst und so führten alle Wege zum Wolf-Hof um zu reiten. Ohne Rücksicht auf Wind und Wetter, frühmorgens, am Vormittag und manchmal auch noch am Nachmittag, mußte das arme Pferd zu Ausritten herhalten. Im ersten Jahr hatte er kaum Zeit, den Hafer, den wir damals noch fütterten, zu verwerten, da er die aufgenommenen Ressourcen ständig verbrauchen mußte.

Als dann der Winter kam, sah das Pferd entsprechend abgemagert aus. Erst dann wurde uns bewußt, daß ein geordneter Tagesablauf auch für unser Pferd vonnöten wäre.

Die Jahre vergingen und der Ehrgeiz stieg. Außer Faschingritten und Fuchsjagden hatten wir keinerlei Möglichkeiten uns im Wettbewerb zu messen. Die Faschingsritte waren oft sehr lustig, zumal auch Hedi damals noch geritten ist. Doch eines Tages wurde es entschieden, ich wollte mit Lotte, der Tochter der Besitzer des Bauernhofes, wo wir Oerek eingestellt hatten, die Prüfung zum bronzenen Reitabzeichen absolvieren. Zu dieser Zeit war ein Turnierstart ohne bronzenes Reitabzeichen nicht möglich.

So gingen Lotte und ich in den RC Bamherzigengasse, um mit dem Vorbereitungskurs die nötige Reitreife zu erlangen. Es war eine lustige Zeit und auch hier sollte Oerek eine wichtige Rolle spielen.

Das Problem des Reitclubs war, daß eigentlich zu wenige Springpferde zur Verfügung waren. So wurde kurz entschlossen Oerek von der Weide in die Bamherzigengasse verbannt, um dort Lotte und mir als Springpferd bei der Prüfung zur Verfügung zu stehen.

Um es kurz zu machen, wir bestanden die Prüfung im ersten Anlauf und Oerek erwies sich als ein guter Kumpel. der im entscheidenden Moment tapfer durchhielt, obwohl ihm der Aufenthalt in der Stadt nicht sonderlich zusagte.

Es gab auch einige heitere Erlebnisse, von denen ich eines als Beispiel für alle erzählen möchte.

Der RC Bamherzigengasse hatte das Recht im Prater und insbesondere auf der Ameiswiese Ausritte durchzuführen. Um dort hin zu gelangen, mußte man, meistens in der Hauptverkehrszeit, über die Landstraßer Hauptstraße mit den Pferden reiten. Einmal, wir ritten zu dritt in den Prater, hielten wir bei einer roten Ampel an. Ich stand mit Oerek auf der Straße und wartete auf die nächste Grünphase, als ein Autobus der Wiener Linien neben uns anhielt und sich die pneumatischen Türen fauchend öffnete. Orek wendete sich höchst interessiert dem offenen Autobus zu und stieg aus lauter Neugierde mit den Vorderbeinen auf das Trittbrett. Die Leute die aussteigen wollten, wichen ängstlich zurück, der Schaffner schimpfte und die Ampel wurde grün. In diesem Moment ritten die anderen beiden Reiter an. Oerek hörte den Hufschlag stieg vom Trittbrett und trabte, die ängstlichen Menschen und einen schimpfen Schaffner zurücklassend, den beiden anderen Pferden nach.

Nach Erhalt des bronzenen Reitabzeichens studierte ich eifrig alle erdenkliche Fachliteratur die es über Reiten gab, las die Hippologica, und befasste mich mit den Lehren der Reiterlehrer der Vergangenheit. Ich war damals der Meinung, man müsse um das Reiten zu perfektionieren, aus Büchern lernen können.

Unter dieser Phase litt am meisten unser Oerek . Er ist wohl das einzige Pferd auf dieser Welt, der alle Arten von Gebissen und Zäumungen über sich ergehen lassen musste. Ich rechne es ihm heute noch hoch an, daß er trotz allem, der alte geblieben ist.

Endlich war es soweit, es ging mit Oerek und Dunja zum ersten Turnier. Für Oerek hatte ich einen Start in der Königsdisziplin, der Military vorgesehen, mit Dunja, adchte ich liegt der Herausforderung im Jagdspringen.

Dieses erste Turnier war ein Höhepunkt in meinem Reiterleben. Selbst heute bin ich noch stolz auf meine beiden Pferde. Sie haben alles gegeben und der dritte Platz in der Military sowie Dunjas Sieg im Jagdspringen zählen zu meinen schönsten Siegen.

In der Folge absolvierte ich mit Oerek noch recht erfolgreich einige Springbewerbe . In den Jahren danach starteten wir im 30km Bewerb des Distanzreitens, wobei es Oerek nie schaffte Dunja zu schlagen. Das war einfach ihre Disziplin, wo man sie nicht schlagen konnte. Oerek war aber immer an der zweiten Stelle, so daß wir dreimal einen Doppelsieg einfahren konnten.

In dieser Zeit ritt Hedi noch fleißig und im Sommer und in den Urlauben haben wir einige Wanderritte durchgeführt, die uns in attraktive Gegenden des Waldviertels führten. Es war die Zeit des unbeschwerten Reitens, des Eins sein mit den Pferden und des Erlebens der Natur im Umfeld dieser Wanderritte. In den Jahren danach, sollte eine solche Zeit nicht mehr geben.

So gingen die Jahre ins Land und unser Oerek war 20 Jahre alt und hin und wieder vom Alter geplagt. Dann kam der Tag an dem wir von Dunja Abschied auf immer nehmen mußten.

Oerek verlor seine langjährige Stallgefährtin und er war einige Zeit verwirrt warum in der Box neben ihm ein anderes Pferd stand und Dunja nicht wieder kam.

Mittlerweile hatten wir Ruby erworben und die Stute setzte 1991 ein Hengstfohlen.

Nach dem abspennen kam Ruby auf den Bauernhof und wurde Oereks neue Stallgefährtin. Doch die Innigkeit die ihm mit Kedves verbunden hat, kam mit Ruby nie zustande.

Durch das Reiten mit Ruby und 3 Jahre später auch noch mit Geronimo wurde unserem Oerek weniger geritten. Er war immerhin schon 23 Jahre alt und kein Jüngling mehr. Allerdings gab es da eine Veranstaltung, die war für Ihm abonniert. Der jährliche Erntedankritt im Irenental. Sein erster Erntedankritt erfolgte im Jahre 1977, sein letzter im Alter von 26 Jahren im Jahre 1998. Bis auf dreimal, zweimal wegen Regens abgesagt und einmal wegen Verletzung W.O. gegeben, hat er in seinem Leben insgesamt 18 mal die Reitergruppe des Wolf-Hofes angeführt und ist in ausgezeichneter Manier hinter der Musikkapelle einher geschritten. Er war vom Irenentaler Erntedankritt genausowenig wegzudenken wie die Erntekrone.

Seit seinem letztem Erntedankritt genießt er das wohlverdiente Gnadenbrot. Ist meistens guter Dinge und nach wie vor zu heiteren Späschen aufgelegt, die allerdings nur er heiter findet.

So sprang er beispielsweise vor drei Jahren im Winter über die untere, 1,2 m hohe, geschlossene Halbtüre seines Stalles, in diesen hinein. Wir alle glaubten nun sei eine gröbere Verletzung passiert. Doch als wir mit klammen Gefühl den Stall betraten stand er in der Box und mampfte sein Heu. Sein Blick schien zu sagen, worüber regt ihr euch auf, in meiner Jugend bin ich viel höhere Hürden gesprungen !

So beschert er uns immer wieder Überraschungen, manchmal angenehme, manchmal auch schreckhafte. Heute ist er 31 Jahre alt, bei bester Gesundheit und genießt es, wenn ich mit ihm im Roundcorral Gangarten übe. Alles natürlich ohne Sattel in Freidressur.

Wir sind immer noch ein verschworenes Paar, wobei ich zumindest von mir behaupten kann, daß die Erinnerungen an die gemeinsame Zeit oft Wehmut hervorruft. Wie es bei ihm ist weiß ich nicht, doch der Übermut im Frühjahr, der ihm immer befallen hat wenn die ersten schönen Tage anbrechen, war auch heuer wieder da.

Doch eines Tages, am dritten Dezember 2003, zeigte uns die Macht des Schicksals, dass nichts ewig währt. Beim Weidegang brach sein rechter Hinterfussknochen einfach ab.
Ich habe immer damit gerechnet, dass er eines Tages von der Koppel nicht mehr hereinkommen würde, gab es doch einige Lebensfunktionen in seinem Körper, die nicht optimal fumktionierten.
Doch dieser Tod kam überraschend, doch genau betrachtet entsprach es seiner Art und Weise zu leben.
Seit ich ihn kannte, war er immer für spektakuläre Ereignisse gut, so auch bei seinem letzten Auftritt auf der Bühne des Lebens.
Der rasch herbeigeholte Tierarzt beendete ein ereignisreiches, von Zuneigung und Kampfeswillen geprägtes Pferdeleben.
Von der ersten Berührung seiner Nüstern an meiner Hand bis zum heutigen Tag ist viel Zeit verflossen. In all den Jahren hat mich Oerek vieles gelehrt, hatte immer Verständnis für mich, war stets ein verläßlicher Partner.
An diesen 3.Dezember 2003 ist nicht nur ein treuer Freund von uns gegangen, sondern mit ihm ein unwiederbringlicher Lebensabschnitt unseres eigenen Daseins.