Geronimo Jac Bar,   

    Feuer und Eis    

Der 23. Mai 1991 war der wichtigste Tag im Leben Geronimos, denn das ist der Tag seiner Geburt

Ein am Anfang eher zartes und von der Stute sehr behütetes Fohlen, das wenig mit anderen spielte und lieber unter oder hinter der Mutter stand wenn er nicht gerade schlief.

Anfangs glaubten wir ein Fohlen zu haben, daß nicht galoppieren kann, denn man sah ihm niemals, so wie die anderen Fohlen, um die Wette rennen.

Er war eher in sich gekehrt und manchmal erinnerte er mich an Ferdinand den Stier, eine Trickfilmfigur aus Walt Disneys vielfältigem Schaffen. Genau wie Ferdinand war auch Geronimo ein Einzelgänger, der mehr Interesse an seiner Umwelt, als an seinen gleichaltrigen Artgenossen und deren Vergnügungen hatte.

So verging der erste Sommer seines Pferdelebens ohne wesentliche Höhepunkte und die Trennung von der Mutter nahte.

Waren wir alle in ernster Sorge, wie sich das Fohlen verhalten würde, wenn seine Mutter nicht mehr da war, bewies uns Geronimo, daß er in der kurzen Zeit bis zum Herbst, wo er endgültig allein in einer Hengstherde von gleichaltrigen integriert wurde, eine sehr ausgereifte Persönlichkeit entwickelt hatte.

Kaum in die Herde der Junghengste überstellt, übernahm er gemeinsam mit Merlin, einem Halbbruder von Geronimo, die Position des Alphas. Merlin der eher temperamentvolle Streiter und Geronimo, der ausgeglichene ruhende Pol ergänzten sich vorzüglich und hielten die Herde zusammen.

Merlin führte die Bande der ewig am Rangordnungskampf interessierten Junghengste an und dämpfte deren Übermut, wenn sie es zu heftig trieben, während Geronimo Angriffe der Radaubrüder auf die jüngeren, eher schutzbedürftigen Hengste, abwehrte, da diese unter seinem Schutz standen.

Doch beide, Merlin und Geronimo, hatten niemals die direkte Auseinandersetzung gesucht oder herausgefordert. Sie waren eine eiserne Persönlichkeitsgemeinschaft, die sich gegenseitig respektierten, obwohl ihre Charaktäre so grundlegend unterschiedlich waren.

Für die kleine Lebensgemeinschaft der Junghengste waren beide die idealen Führer und noch Jahre später, als sie sich wieder begegnen sollten, konnte man feststellen, daß hier eine Tierfreundschaft bestand, die die Jahre überdauert hat.

Nachdem Geronimo alle Kinder- und Jugendkrankheiten eines Pferdes überstanden und wir mit ihm gelitten hatten, war er zu einem respektablen Zweijährigen herangereift. Leider mußten wir ihn im Alter von drei Jahren vom Hengst zum Wallach kastrieren lassen, denn am Bauernhof, wo er fortan leben sollte, wäre er sonst kein Weidegang, gemeinsam mit den anderen Pferden, in der Regel Stuten, möglich gewesen.

Doch auch als Wallach war er eine stattliche Erscheinung und er wurde viermal, bei jeweils verschiedenen Richtern, in den Amateur- und Profiklassen der dreijährigen Pferde und später bei den Wallachen dreijährig und älter, als Grand Champion gekührt.

In der Zwischenzeit hatte für Geronimo der Ernst des Lebens begonnen. Die Zeit der Grundausbildung zum Reitpferd.

In all den Jahren danach merkte man, daß er von einem Weltmeister ausgebildet worden war. Die Beständigkeit seiner Leistungen, die Selbstverständlichkeit seiner Kommunikationsbereitschaft und, wenn es darauf ankam sein Kämpferwille, bewiesen seine Eignung zum Alphapferd.

In den Monaten zwischen den Turnieren kann er aber auch mit der Seele baumeln und in den Tag hineinleben, ohne Probleme zu haben.

Er ist die seltene Pferdepersönlichkeit, die sich durch den Alltag relext und sofort hellwach und leistungdbereit ist, wenn es die Situation erfordert.

Er kann stundenlang im Schritt trotten ohne schneller zu werden. Doch wenn man ihm zum Galopp auffordert, dann geht es dahin. Feuer und Eis, diese Devise ist in ihm und beherrscht sein Leben.

Die Turnierzeit mit Geronimo war eine sehr erfolgreiche. Wie kaum ein anderes Pferd war er in der Lage innerhalb kürzester Zeit dem beschaulichen Leben am Bauernhof abzuschwören und den Weg des Turniercracks zu gehen.

Konzentration, Leistungsbereitschaft, Lernfähigkeit und Geduld mit seinem Reiter, sind seine herausragenden Eigenschaften. Nur so war es möglich, bis zum Vizelandesmeister aufzurücken. Bei etwas mehr Konzentration seines Reiters hätte es sogar zum Landesmeister gereicht.

Heute ist sein Leben etwas ruhiger geworden. Ausritte in die Umgebung sind die Abwechslung, wenn wir nicht gerade Reitmanöver trainieren oder neue einstudieren. Die Zeit der häufigen Turniere ist vorbei. Vielleicht werden wir zukünftig eines im Jahr absolvieren.

Doch von seiner Faszination und seinem ruhigen Wesen hat er nichts verloren und ich hoffe, daß das noch lange so bleibt.